Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Wie aus einer Idee ganz schnell etwas Handfestes werden kann, zeigt sich an dem Beispiel des Strategiespiels „Urbane Ecken“. Angefangen hat alles im Oktober letzten Jahres, als Frau von Münchhausen, Leiterin des Goethe Institutes in Kasachstan, und Herr Wyes, Geschäftsführer der zentralasiatischen Umwelt-NGO CAREC, uns hier in Köln für einen Gamification-Workshop besucht haben. Geleitet vom Spielexperten Christoph Deeg und Pausanio-Geschäftsführer Holger Simon, entstand ganz schnell eine außerordentlich kreative Atmosphäre, in der eine Idee der Nächsten folgte.
Allen Beteiligten wussten, dass die Zeit günstig stand, denn im Juni 2017 findet die Weltausstellung EXPO in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, zum Thema „Future Energy“ statt. Aufgrund ihrer Arbeit vor Ort wussten unsere Gäste jedoch, dass es –- im Gegensatz zu Europa – ein verhältnismäßig schwaches Bewusstsein für die Problematik der Ressourcenknappheit fossiler Energie gibt. Vor allem bei jungen Menschen in Kasachstan scheint das Thema eine für sie eher untergeordnete Position einzunehmen. Warum denn auch, wenn man bedenkt, dass Kasachstan (noch) eines der rohstoffreichsten Länder der Welt ist? Da sollte man was machen!
Aber bitte ohne erhobenen Zeigefinger!
Das Ziel war ganz schnell klar: Man wollte eine Spiele-App entwickeln, die vor allem die jüngere Generation für das Thema der erneuerbaren Energien als Alternative zu fossilen Rohstoffen sensibilisiert. Es sollte auf keinen Fall ein plakativ-belehrendes Spiel werden, bei dem die richtigen und falschen Lösungsansätze „von oben herab“ definiert werden und somit jede Form von nachhaltiger Wissensvermittlung im Keim erstickt wird. Denn um etwas zu verstehen, muss man es tun, sich mit etwas auseinandersetzten und es mit seiner Welt bzw. seiner eigenen Weltanschauung abgleichen. Im besten Fall wird man Teil davon.
Wird unser Pool an Wissen jedoch mit einer neuen, uns unbekannten Aufgabe oder Information konfrontiert, entsteht eine Art Spannung – auch knowledge gap genannt. Ist man genug intrinsisch motiviert, um diese Lücke zu füllen, die Lösung herauszufinden und etwas verstehen zu wollen, dann sind wir auf dem besten Wege etwas nachhaltig zu lernen. Übersteigt die Komplexität der Aufgabe unsere Motivation, lässt sie uns nur frustriert und schlimmstenfalls nachhaltig resigniert zurück.
Während des Spielens lernen!
So sollte es ein Strategiespiel werden, das auf kreativer Partizipation, körperlicher Bewegung und gemeinschaftlichem Spielen seitens der Nutzer basiert. Zudem sollte die Sprach- und Kulturarbeit des Goethe Institutes unterstützt werden, indem die App auf vier Sprachen spielbar sein sollte: Kasachisch, Russisch, Englisch und Deutsch. Aber wie werden die jungen Menschen Teil eines Spiels, das wiederrum Teil ihrer Welt ist? Die Stadt Astana sollte somit ein zentraler Ausgangspunkt des Spieles sein.
Zieht Euch warm an!
Die Arbeit begann sofort, und so saßen wir – eh wir uns versahen – zu Dritt im Flieger nach Astana. Für die Entwicklung der Spiele-App war es einerseits wichtig zu erfahren, wie die Jugend dort „tickt“. Wir brauchten Antworten auf einen Haufen kommunikationsrelevanter Fragen wie: Welche Messenger und Sozialen Netzwerke werden in Kasachstan genutzt? Wo hält sich die Jugend während ihrer Freizeit in der zweitkältesten Hauptstadt der Welt auf? Gibt es andere Gaming-Trends in Zentralasien als bei uns?

Andererseits wollten wir etwas über die Kultur Kasachstans und insbesondere die Stadt Astana kennenlernen. Die Gamestory sollte den vielfältigen Kulturen, der Geschichte und der abwechslungsreichen Landschaft Kasachstans, die sich aufgrund der Landesgröße über mehrere Klimazonen erstreckt, entspringen. Wir mussten erfahren, welche Ästhetik man gewohnt ist, um das Interface designen zu können. Oder welche Symbole kulturell relevant sind, um diese im Spiel aufgreifen zu können.
Mit fünf Stunden Zeitverschiebung haben wir ohne zu schlafen, quasi direkt nach der Landung, angefangen zu arbeiten. So haben wir in kürzester Zeit einen Crashkurs Kasachstan hingelegt und alles mitgenommen, was möglich war: Schaschlik von meterlangen Spießen essen, per Anhalter fahren (das ist quasi das „inoffizielle“ Taxifahren), den Segen des Präsidenten einholen (im Bajterek-Turm ist ein riesiger, goldener Abguss der Präsidentenhand , wo frisch vermählte Paare sich ihren Hochzeitssegen abholen) und wir waren sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen! Die Eindrücke waren für uns alle einfach phantastisch.

Von der Theorie zur Praxis
Zurück in Deutschland ging die Arbeit richtig los. Der Frühling war geprägt von Teammeetings, Skype-Konferenzen nach Kasachstan und Absprachen mit dem Grafikdesigner in Den Haag. Es war eine intensive Zeit für alle Projektbeteiligten, die teilweise auch am Wochenende arbeiten. Die Zeitverschiebung und dass man sich nicht einmal eben an einen Tisch setzen konnte, weil alle irgendwo auf der Welt verstreut waren, machte es zu einer noch größeren kommunikativen Herausforderung für uns alle.
Um die Alpha-Version der App auf Herz und Nieren zu testen, hat das Goethe Institut rund 250 Schüler eingeladen, das Spiel ab Ende Mai in ihrer Stadt zu testen und uns Feedback zu geben. Der Zeitpunkt war entscheidend, da kurz darauf die Sommerferien in Kasachstan anfingen und die meisten Schüler und Studenten für uns nicht mehr greifbar gewesen wären.
Nach dieser umfangreichen Testphase folgte im Sommer eine Korrekturschleife, in der inhaltliche sowie technische Fehler oder Unstimmigkeiten bereinigt wurden.
Seit dem 30. September ist die standortbasierte Spiele-App „Urbane Ecken“ nun offiziell bei iTunes und im Google Play Store erhältlich. Somit schließen wir fast genau ein Jahr später ein ereignisreiches und einmaliges Projekt ab und bedanken uns an dieser Stelle bei allen Beteiligten für die spannende und gute Zusammenarbeit!
Und wie sieht das Ergebnis jetzt aus? Wer auf den zweiten Teil des Blogartikels wartet, wird bald mit einer ausführlichen Beschreibung der Gamestory belohnt. Es lohnt sich!
Weiterführende Links
„Urbane Ecken“ – Offizieller Start in Astana / Deutsche Allgemeine Zeitung
Verfasserin dieses Beitrags

Martha Papok
Der Beitrag Urbane Ecken Teil I – Wie sensibilisiert man junge Menschen für die Notwendigkeit erneuerbarer Energie? erschien zuerst auf Pausanio GmbH & Co.KG.